Eines Tages wurde mein Vater vom Krankenhaus angerufen, er solle bitte vorbeikommen, er müsse sich etwas ansehen. Mein Vater trat in das Zimmer, in dem mein Bettchen stand, und erschrak zutiefst. Ich lag auf der Matratze, starrte nach oben, und über das Gesicht lief mir Blut. Im ersten Moment dachte mein Vater, Mutter sei hier gewesen und hätte mich wieder misshandelt. Aber dann hieß ihn die Schwester abwarten und beobachten. Nach einiger Zeit drehte ich mich, klammerte mich mit meinen kleinen Patschhändchen an das Gitter und fing an, meinen Kopf an das Holz zu schlagen – immer wieder. Die eigentlich weißen Gitter waren an dieser Stelle blutverschmiert. Ich wollte wohl etwas spüren – irgendetwas, wenn mich schon niemand in den Arm nahm und liebkoste. Heute würde man mein Verhalten wohl unter Hospitalismus verbuchen und jeder könnte das bei meinen Umständen nachvollziehen (und würde mir entsprechend helfen). Damals jedoch fragten die Ärzte meinen Vater nur: »Haben Sie noch weitere Kinder, Herr Buntz? Denn es wäre besser, sie hätten keine weiteren. Mit diesem Kind sind Sie ausgelastet – es wird Sie Ihr ganzes Leben lang auf Trab halten. Es ist geistig behindert, es wird nie lachen können und Sie werden Ihr ganzes Leben lang Probleme mit ihm haben.« Mit Letzterem sollten sie (fast) recht behalten, mit den anderen Diagnosen Gott sei Dank nicht.
Schon als Baby von der Mutter ausgesetzt und vom Vater ins Heim abgeschoben. Wilhelm Buntz führte jahrelang ein Leben als Verbrecher und landet im Gefängnis. Dort dreht er sich Zigaretten aus der Bibel, begegnet Gott und schlägt einen neuen Weg ein. Mit Auszügen aus seiner Biographie „der Bibelraucher“ teilt der Ex-Knacki in seiner Kolumne bei #imländle seine Lebensgeschichte mit uns.
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Wilhelm Buntz: Der Bibelraucher, © 2018/2022 SCM Hänssler in der SCM Verlagsgruppe GmbH, D-71088 Holzgerlingen.