Wie eine Zeitreise

03. November 2021

Letzte Woche befand ich mich auf einer Zeitreise meiner beruflichen Laufbahn. Mir ist dabei bewusst geworden, welches Glück es ist, mit und für Menschen zu arbeiten.

Ich hatte mich mit einem jungen Mann verabredet, den ich seit über 15 Jahren begleiten durfte. In den letzten fünf Jahren hatten wir allerdings keinen Kontakt mehr gehabt. Er verbrachte fast vier Jahre in einer Justizvollzugsanstalt und meldete sich vor ein paar Wochen bei mir.

Als wir uns persönlich begegnet sind, war die erste Reaktion, dass wir uns zur Begrüßung in den Arm genommen haben. Danach sind wir in eine Kneipe gegangen und haben angefangen zu reden.

Darüber, wie ich ihn mit 14 Jahren in einer Gastfamilie begleitet habe und als es da nicht weiter ging, wir nach einer anderen Familie gesucht hatten, zu der er bis heute Kontakt hält. Wie es war, als seine erste richtige Freundin mit ihm Schluss gemacht hat. Wie er auf Grund seines Konsums von Alkohol und Drogen ganz unten angekommen war. Wie wir uns in der Obdachlosenunterkunft wieder getroffen haben und welches Verhalten ihn in die JVA geführt hatte. Wie er als Vollwaise aufgewachsen ist und über so viel andere private Dinge.

Das ganze Gespräch war ein einziger besonderer, ehrlicher Moment.

Für das Erleben genau solcher Momente bin ich Sozialarbeiter geworden.

(Florian)

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