Am Ende steht immer der Tod

Am Ende steht immer der Tod

08. Dezember 2022

Ich arbeite auf der Palliativstation.  
In einem Zimmer wird seelische Unterstützung benötigt.  
Hier liegt eine 88-jährige Dame, die schwer atmet. Ihre zwei Töchter sitzen am Sterbebett. Ich biete ihnen in Gespräch an. Eine der beiden Töchter fragt, was ich denn bitte mit ihnen reden möchte. Genau diese Tochter hatte seit fünf Jahren keinen Kontakt zu ihrer Mutter. Die andere Tochter, ist freundlich und erzählt mir viel über ihre Mutter. 
Ihr Redebedarf ist groß, ihr innerer Druck für mich spürbar. 
Wir sitzen gemeinsam am Sterbebett und unterhalten uns.


Unauffällig beobachte ich, wie die Mutter atmet und sich verhält. Ich erkenne, dass sie dem Sterben immer näherkommt. Ich kippe das Fenster und bitte die Töchter ruhig zu sein, da die Mutter am Gehen ist. Obwohl Familienangehörige, die am Sterbebett dabei sind, wissen, dass der Tod nahe ist, fällt die Akzeptanz dafür schwer. Es ist dann ruhig. Ich spüre dieses Gefühl, das beim Sterben der Menschen, die ich begleite, immer in mir spürbar wird.


Die Patientin hört auf zu atmen und stirbt. 


Kurze Zeit später nehme ich ihre Töchter in den Arm. Ganz leise sage ich: “Schön, dass die Mutter im Beisein der Töchter gehen durfte." Eine der beiden drückt mich, lässt ihrem Schmerz freien Lauf und weint.


Im Aufenthaltsraum führe ich das Trauergespräch mit ihnen. Währenddessen wird die Mutter im Zimmer hergerichtet. Bevor ich gehe, gehe ich nochmal ins Zimmer und bete für die Verstorbene. Das mache ich immer, um mich zu verabschieden und mit dem Erlebten abzuschließen. 


Als ich die Station verlasse, denke ich mir, welche offene Atmosphäre sich trotz der anfänglichen “Ablehnung” der einen Schwester doch noch ergeben hat. Dafür bin ich dankbar 


(Serkan Ilker)  


Serkan Ilker ist ehrenamtlicher Sterbebegleiter. Mit seiner Kolumne bei #imländle nimmt er uns einmal im Monat zu seinen Begleitungen mit, um uns für die Themen Tod und Sterben zu sensibilisieren und diese zu enttabuisieren. 


Möchtest du mehr über die Arbeit von Serkan und seinen ehrenamtlichen Kolleg*innen erfahren? Dann schau mal hier.             


Nach oben