„Fotografie ist die Sprache, die auf der ganzen Welt verstanden wird.“ – Fotograf Stefan Neigum

„Fotografie ist die Sprache, die auf der ganzen Welt verstanden wird.“ – Fotograf Stefan Neigum

17. Juni 2020
Ich habe ein kleines Naturtalent entlarvt: Stefan Neigum. Für mich gehört er schon längst zu meinen Lieblingsfotografen #imländle. Ich liebe es, wie Stefan Alltägliches behandelt, als seien es wertvolle Plastiken im Museum. Ikonenartig, aber immer mit einer beiläufigen Selbstverständlichkeit. Und wie er Gebäude in Szene setzt, die sich in unserem natürlichen Blick oftmals unbemerkt ins Stadtbild einfügen, bei ihm aber extrahiert und aus ganz neuen Blickwinkeln gezeigt werden. Es fühlt sich plötzlich an, wie in einer Filmwelt. Die Welt bekommt einen neuen Mantel übergestülpt. Sodass man beim Betrachten manchmal gar nicht gleich drauf kommt, was dort zu sehen ist. Protagonist der Fotos scheint schlichtweg die Perspektive, die Sichtweise im doppelten Sinn zu sein.   Ich habe diesem kreativen Menschen im Vorfeld ein paar Fragen gestellt und bin überglücklich, was dabei herausgekommen ist. Deshalb freut euch auf einen kleinen Auszug unseres Interviews.

  Mein Name ist Stefan Neigum, seit kurzem 32 Jahre alt und totally in love in Meckenbeuren. Als einen Fotografen würde ich mich nur in den seltensten Fällen bezeichnen. Ich mag viel lieber den Ausdruck Dreamer. Denn mein Job im wahren Leben sind teils schwerst erkrankte Menschen - da bleibt kein Platz zum Träumen. Als operationstechnischer Assistent stehe ich 5 Tage die Woche im Operationssaal und trage mein Bestes zum Wohle des Patienten bei.


Doch all die Zeit davor und danach bin ich wirklich dieser besagte Dreamer.

Versteht mich bitte nicht falsch – ich möchte mich hier keineswegs selbst als den verträumten Dorfjungen bezeichnen, da ich guter Dinge behaupten kann, dass ich (zumindest für meinen Teil erkannt habe), was es bedeutet für seine Träume zu arbeiten und für sie einzustehen. Mit Dreamer meine ich somit vielmehr die Gabe, im zunehmenden Alter den Sinn für die Träumerei nicht zu verlieren, um sich selbst eines Tages dadurch nicht ein Stück weit zu verlieren. Aber genug davon, widmen wir uns doch lieber den Fragen und Anregungen meiner Interviewpartnerin Janine-Denise Lehleiter. Zuallererst einmal möchte ich mich hier ganz offiziell und worldwide gültig bei dieser mich immer wieder antreibenden Persönlichkeit bedanken. Janine bietet mir hier die Möglichkeit, einen kleinen Teil meiner Arbeit publik zu machen, mein Auge von unserer Welt genau mit dieser wieder auf diese Art und Weise zu teilen. So, thank you Janine!  


Wie bist du zur Fotografie gekommen?


Fotografie im engeren Sinne begleitet mich seit ca. dem 12. oder 13. Lebensjahr. Sprich schon mehr als a half of my lifetime. In diesem Alter hat mir meine Mutter nach längerem Nörgeln die allererste Digitalkamera gekauft. Diese Zeit war die Zeit der einsetzenden Pubertät. You know, eine Zeit im Leben, wo einem alles irgendwie cool und zugleich richtig sch*#ße vorkommt. Man will cool sein, Anerkennung finden und ein gewisses Ansehen genießen – so war es bei mir zumindest. Man wollte schön sein, dachte man wäre für immer unstoppable. Nichts und niemand könnte mit einem mithalten. Wie gut, dass die Pubertät nur einen Bruchteil unseres Daseins andauert (lach). Mit den damaligen Handys konnte man nicht sonderlich gute Bilder schießen und so war ich gezwungen, lieber das Handy daheim zu lassen, als jemals ohne Kamera in der Hosentasche das Haus zu verlassen.


Ich konnte es mir schlicht und ergreifend nicht vorstellen, irgendetwas Fotografisches zu verpassen.

Keine Party, keine Geburtstags- oder Abschlussfeier wurde nicht ausführlich mit der Kamera dokumentiert. (Lach) Ich erinnere mich noch ganz genau, dass ich in meinem Umfeld immer so ziemlich der Einzige war, der eine Kamera dabei hatte. Jeder wollte fotografiert werden, jeder wollte anschließend die Fotos haben. Und darin fühlte ich mich damals auch vollkommen bestätigt. So entwickelte sich schleichend und unbewusst ein Hobby, das ich seither weder in irgendeiner Form vernachlässigt noch dem ich abgeschworen habe.


Die Fotografie ist auch heute noch meine Zuflucht (so möchte ich es einfach mal bezeichnen). Es ist ein Ausgleich, es beruhigt, motiviert und inspiriert mich jedes Mal aufs Neue.

 


Was bedeutet dir die Fotografie?


Alles! Nein, kleiner Scherz am Rande. Alles bedeutet mir die Fotografie nicht, aber sie kratzt ganz schön gehörig an diesem symbolischen Wert. Janine, du musst wissen, ich bin ein altes Eisen. Für mich zählen die alten Werte nach wie vor viel mehr als all die neumodischen Erscheinungsformen, von dem was bekanntlich wichtig und essenziell im Leben ist oder sein sollte. Da sind die Familie, mein Lebenspartner, die Gesundheit, all unser Wohlergehen – things like that, die mich abends friedlich einschlafen lassen.


Die Fotografie ist mein Ventil zur Außenwelt. Meine frische Sauerstoffzufuhr, eine willkommene Abwechslung zum teils stressigen Alltag.

Sie fühlt sich einfach gut an. Sie verlangt nicht, sie fordert nicht und dennoch gibt sie mir persönlich so viel zurück. Fotografie ist die einzige Sprache, die auf der ganzen Welt verstanden wird. Von dem einen so, von dem anderen eben anders. Aber sie wird dennoch verstanden. Und das was sie ausdrückt, ist für mich manchmal imposanter, ausdrucksstärker und nachhallender wie manch ein gesprochenes Wort.


Fotografie – das ist das Festhalten von Zeit in einem kurzen Moment des Innehaltens.

Meine Gedanken, Ideen, das Sehen und Fühlen in diesem Moment der völligen Stille, bevor ich den Auslöseknopf ganz durchdrücke – das ist der magische Moment für mich, den mir die Fotografie schenkt. Ein jeder von uns hat eine andere Wahrnehmung, jeder findet unterschiedliche Dinge schön oder weniger schön. Deshalb darf man als Fotograf niemals verbissen daran arbeiten, das Gefallen anderer für die eigene Fotografie zu gewinnen. Stay fresh and creative – aber vor allem dir selbst treu. Die Kunst der Fotografie besteht für mich darin, nicht vom Apparat abhängig zu sein. Ich möchte hier ein Zitat von Gisèle Freund aufgreifen: Das Auge macht das Bild, nicht die Kamera! Es verdeutlicht, dass der wahre Sinn der Fotografie darin besteht, in einer Welt voller Eindrücke und Technik, Raum für eigene Ideen und den Sinnen zu lassen. Sich leiten zu lassen, von dem was das Herz einem zuflüstert, von dem was die Augen einem offenbaren.  


Wie gehst du bei deiner Arbeit vor?


Da habe ich einfach eine innerliche Intuition, die mich leitet und mich fotografieren lässt. Ich habe keinen Masterplan für meine Fotografie. Einfach drauf los und es wird schon (Zwinker). Ich habe auch nicht diesen einen Faible für eine gewisse Art von Fotografie. Ich mag es schrill, ausgefallen, sexy und kunterbunt, erotisch, provokant aber auch relaxt, still, nachdenklich und einfach nur schön. Was wahre Schönheit für mich bedeutet, bedeutet vielleicht meinem Gegenüber genau das Gegenteil und umgekehrt.


Schönheit ist verwirrend. Sie ist gewalttätig, sanft, vulgär.

Mit meinen Bildern möchte ich nichts Glattes und Modisches vermitteln. Sie sollen jedes einzeln für sich individuell sein, um dadurch lange im Gedächtnis zu bleiben. Inspiration benötige ich keine. Meine Inspiration wacht jeden Morgen neben mir auf. Mein Lebenspartner ist ebenfalls leidenschaftlicher Fotograf (auf der Hobbyschiene like me). So wie er und nicht anders ist auch meine Fotografie – stark, sensibel, zurückhaltend und fordern, sinnlich, selbstbewusst, klug und ausdrucksstark.


Fotografie lässt uns einfach nicht los, auch oder gerade weil es nicht alles offenbart. Weil immer ein kleines Geheimnis bleibt.

Abschließend kann ich nur sagen, dass das, was mich in meiner Fotografie am Meisten ehrt, ist wenn ein Unbekannter ein Foto von mir in der Hand hält und einfach nur sagt: Ich finde es schön! Es ist unwichtig, was genau man in diesem Bild schön findet. Denn ich möchte durch diesen Ausdruck von Kunst Gedanken vervielfältigen und verstärken, Inspirationen schaffen und zu eigener Kreativität anregen. Dinge aufzeigen, die man vielleicht so nicht betrachten würde, um mit deren Hilfe aus den Kulissen des Alltags das Nichtalltägliche aufleuchten zu lassen.  


Eine kleine Auswahl aus über 400 Bildern zu treffen, die mir Stefan überlassen hat, ist scheinbar unmöglich. Aber freut euch, denn Stefan hat mir die Erlaubnis gegeben, sein ganzes Material nicht auf einmal zu verpulvern, sondern häppchenweise und zur Bebilderung unserer Beiträge zu nutzen. Danke! Wer Kontakt zu Stefan aufnehmen mag, erreicht ihn unter: stefan.neigum@googlemail.com.

 


© Bildmaterial: Stefan Neigum

 

Nach oben